Abendzeitung
Quelle: AZ München
Samstag/Sonntag 27./ 28. Februar 1993
Titel: Wenn bei Streibl was zerbricht – er klebt‘s
Von Ulrike Heidenreich
München – Prinzen, Modefürsten, Konsuln und prominente Mimen vertraue ihm die zerbrechlichsten Kostbarkeiten an. Traurige Scherbenhaufen läßt die illustre Gesellschaft zurück – doch Wilfried Braunmiller ist auf Problemfälle spezialisiert. Mit Spachteln, Klebern und Pigmenten macht der 50jährige Münchner aus wertvollen Kunstwerken wieder das, was sie einmal waren. In seiner Bogenhauser Werkstatt kümmert sich der Restaurator um altes Porzellan, dem der Zahn der Zeit arg zugesetzt hat.
Museale Restaurierungen bietet Wilfried Braunmiller seinen Kunden – vielversprechend ist da die Einrichtung seiner Werkstatt in einer großen Altbauwohnung. Holzobjekte von Jörg Voth und Fantasie-Skulpturen des Münchner Malers Rupert Stöckl lehnen kreuz und quer an alten Bauernschränken, zerrissenen Öl- Leinwänden und Kartons mit Tiffany-Lampen oder Porzellan-Skulpturen aus der Allacher SS-Manufaktur.
In dieser Museums-Atmosphäre stört nur das Schleifgeräusch eines Zahnarztbohrers. Der Restaurator grinst: „ Ich habe die alte Ausstattung einer Zahnarztpraxis gekauft. Die Geräte sind für unsere Arbeit ideal.“
Die Liebe zur Kunst liegt bei den Braunmillers in der Familie: Der Großvater war Stukkateur und Bildhauer, Vater Franz wurde für seine Bilder schon mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, und gerade poliert Sohn Max (22) mit dem Zahnarztbohrer eine wertvolle Porzellanschüssel aus den 18. Jahrhundert.
Der alte Familienname zieh gute Kunden an: Max Streibls Staatskanzlei ließ die abgebrochenen Schwänze der bayrischen Löwen ankleben, die jedes Jahr an Sportler verliehen werde. „Modemacher Rudolph Moshammer, der Prinz von Bayern, viele Konsulate, Loriot, Santa Berger oder auch Karl-Heiz Böhm bringen mir ihre Erbstücke und antiquarischen Neuerwerbungen zum Aufmöbeln“, erzählt Wilfried Braunmiller.
Da sind meist kostbarste Stücke drunter: Ein komplettes Biskuit-Geschirr mit griechischen Motiven wurde im Karton als Scherbenhaufen in die Werkstatt gebracht: In der Glasvitrine eines adeligen Hauses war das oberste Brett auf das erlesene Porzellan gefallen. Mühsam fügten Braunmillers Mitarbeiter die tausend Teile wieder zusammen . Mit einem verblüffenden Ergebnis: „Selbst unter dem UV-Licht kann man die Risse nicht erkennen. Wir haben nämlich ein Geheimrezept, wie wir Pigmente und Bindemittel vermischen“, verrät der Restaurator.
Ein echter Canaletto, eine seltene Hummelfigur, ein 350 000 Mark teures Glas aus dem 16. Jahrhundert oder Tintenfässer aus dem Bayreuther Museum – „Wir bearbeiten die unterschiedlichsten Objekte, selbst der größte Kitsch bringt mich nicht mehr aus der Fassung.“
Da wundert sich Wilfried Braunmiller auch nicht über ein neues Stück in seiner Werkstattsammlung: Ein Münchener Auktionshaus bat ihn, eine gebrochene Butterdose zu renovieren, die einst bei einem Tyrannen auf dem Frühstückstisch stand. Die Gold-Initialen beweisen: Das Stück gehörte Adolf Hitler.